Atlas


Ungebremst (1/5)

Chef-Ingenieur - Logbuch:

Der Captain hat der Crew die schlechte Nachricht überbracht. Sie wissen es schon seit Monaten, aber bis heute kannten sie nicht alle Einzelheiten. Nun ist es real. Wir können das Schiff nicht mehr anhalten. Ich erinnere mich, wie ich dem Captain von dem Problem erzähte, ein Herstellungsfehler, der niemandem aufgefallen war. Ich fühlte mich verantwortlich, schließlich bin ich hier der Schiffsingenieur, so wie mein Vater vor mir und sein Vater vor ihm. Alles, was er sagte, war: „Wir kümmern uns darum.“ Neun Monate sind vergangen, wir nähern uns unserem Ziel und sind einer Lösung keinen Schritt näher. Trotzdem glaube ich dass es eine Alternative gibt.

Ungebremst (2/5)

Chef-Ingenieur - Logbuch:

Nach endlosen Debatten und Gesprächsrunden hat der Rat meinen Vorschlag schließlich abgesegnet. Jetzt legen wir los. Wir machen die Rettungskapseln und -schiffe klar, damit wir so viel Ausrüstung wie möglich mitnehmen können. Die Kommando-Crew hat alle Kurskorrekturen vorgenommen, die nötig sind, um das Schiff so nah wie möglich ans Ziel zu bringen. Wenn es so weit ist, starten wir die Rettungskapseln und das Schiff fliegt ohne uns weiter. Mit etwas Glück gelingt uns eine sichere Landung und die Mission ist erfolgreich. Da gibt es nur ein Problem. Jemand muss zurückbleiben, um die Rettungskapseln zu starten. Diese Person hat dann keine Chance mehr, das Schiff zu verlassen. Ein Leben opfern, um viele andere zu retten. Jean wird mich für verrückt halten, aber ich habe mich freiwillig gemeldet. Eigendlich komisch, denn ausgerechnet Jean hat mir oft vorgeworfen, ich scheue jedes Risiko, zeige zu wenig Einsatz. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob sie das so gemeint hat.

Ungebremst (3/5)

Chef-Ingenieur - Logbuch:

Nach wochenlangen Vorbereitungen und Übungen sind wir nun endlich so weit. Nur noch ein paar Tage bis zum Start. Alle Kurskorrekturen sind abgeschlossen, es sieht gut aus. Ich dränge die Ingenieure alles doppelt und dreifach zu überprüfen. Ich will, das wirklich alles glattläuft. Wir hatten anfangs wie zu erwarten einige Schwierigkeiten, schließlich wurde das Schiff nicht für solche Manöver konzipiert. Ich bin nervös. Wenn das schiefgeht… Da ist noch etwas Jean ist schwanger. Sie weiß nicht, dass ich es weiß.Ich habe den Test im Bad gefunden. Angesichts unserer aktuellen Lage wusste sie wohl nicht, wie sie es mir beibringen soll. Vielleicht fürchtet sie, das könnte meine Urteilsvermögen trüben. Und damit hat sie recht. Ich wollte ihr heute Abend sagen, dass ich derjenige bin. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das jetzt noch kann. Sie wird mich davon abbringen wollen, oder, noch schlimmer, selbst an Bord bleiben. Das kann ich nicht zulassen.

Ungebremst (4/5)

Kommunikations-Logbuch:

Kapsel 12, Start, Start, Start. Kapsel 13, Start-Prozedur einleiten.
Kapsel 14, was tust du da? Kapsel 14, bitte antworten. Bitte kommen, verstanden? Abbruch, ich wiederhole, Abbruch! Du bist nicht befugt-
Oh Gott! Explosion in Bucht 14. Notfall. Ich wiederhole: Notfall. Alle verbliebenen Kapseln. Start einleiten.

*radio chirp*

Tom, wo bist du? Der Pilot ist … Er sagt, er würde ohne dich losfliegen. Was geschieht hier?
Jean, wir müssen hier weg, jetzt!
??????? sie alle Passagiere ein und starten sie jetzt.
Tom, das Schiff startet, wo bist du?
Jean, mein Liebling, du musst mir zuhören. Es tut mir leid, es gibt keinen anderen Weg. Ich konnte es dir vorher nicht sagen. Jemand muss an Bord bleiben und dafür sorgen, dass alle hier raus kommen.
Ich verstehe nicht … Warum, warum du?
Es ist meine Verantwortung. Hör mir zu. Du wirst in Sicherheit sein. Ihr beide.
Was? Woher weißt du davon?
Das spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, dass ihr bald in Sicherheit seid. Ich liebe dich.

Ungebremst (5/5)

Chef-Ingenieur - Logbuch:

Wir sind jetzt außer Kommunikationsreichweite. Ich sitze hier schon seit Stunden und lausche dem Knistern des toten Signals. Ich dachte, ich wäre darauf vorbereitet, ich hatte meinen Frieden gemacht. Aber zu wissen, dass ich ihre Stimme zum allerletzten Mal gehört habe, dass ich sie nie wieder sehen werde, das macht mich fertig. Der Captain sagte, man werde die erste Siedlung nach mir benennen. Eine nette Geste, aber ich habe es nicht für die getan. Ich habe es für meine Frau getan und das Kind, das in ihr heranwächst. Es war das Richtige. Man kann nicht sagen, wann und ob das Schiff jemals anhalten wird. Wir hatten unsere Chance und haben sie genutzt. Ich würde es mit Freuden wieder tun. Mein Kind wird mit Schmutz zwischen den Zehen und dem Himmel über sich aufwachsen.